Geldschöpfung – ein etwas anderer Zugang        Werner Stiffel, 10. 1. 11

 

Stand der Dinge

 

Innerhalb der Geldreformbewegung werden zur Frage der Geldschöpfung durch Geschäftsbanken  (GB) sehr unterschiedliche Positionen vertreten, z. B.

 

- eine Geldschöpfung durch die GB gibt es nicht (z. B. Helmut Creutz)

-  eine Geldschöpfung aus dem Nichts durch die GB im theoretisch unbegrenzten Umfang

    geschieht ständig  (z. B, Bernard Lietaer)

 Dazu kommt noch die Aussage mancher Volkswirtschaftslehrbücher: 

-  Eine “multiple Geldschöpfung“ geschieht ständig, nur begrenzt durch Mindestreserven.

 

Unstrittig ist, dass Zentralbanken Geld „aus dem Nichts“ schöpfen können.

 

Ein Abbau dieser Meinungsunterschiede wäre sehr wichtig, da sie

- die interne Diskussion belasten und

- der Glaubwürdigkeit nach außen schaden

 

Könnte es sein, dass die unterschiedlichen Auffassungen vor allem von

unterschiedlichen Geldbegriffen  herrühren?

 

Diese sind vor allem:

 

1 Nur Münzen und Scheine sind Geld

Das ist die konsequenteste, z. B. von Helmut Creutz vertretene Auffassung

Danach ist eine Geldschöpfung durch die GB nicht möglich

 

2  Als Geld gilt Bargeld, Sichtkonten, z. T. auch Sparkonten, usw

3  Die Europäische Zentralbank versteht unter der „Geld“- Menge M3  Sichteinlagen der Nicht-Banken sowie den gesamten Bargeldumlauf;  Einlagen mit vereinbarter Laufzeit bis zu zwei Jahren und Einlagen mit gesetzlicher Kündigungsfrist bis zu drei Monaten, Anteile an Geldmarktfonds, Repoverbindlichkeiten, Geldmarktpapieren und Bankschuldverschreibungen mit einer Laufzeit bis zu zwei Jahren.

Vielleicht könnten folgende Definitionen zu einer Annäherung führen:

 

Bargeld = Scheine + Münzen

 

Geld = alles, was sich ohne Umwandlung für Aktionen auf dem Markt  (Kauf, Investition, Entlohnung usw.) verwenden läßt, also

Bargeld, Sichtguthaben, Sparguthaben. (Daß Sparguthaben erst mit zeitlicher Verzögerung verwendbar sind, bleibt hier unberücksichtigt )

 

Vermögen = alles, was sich erst durch Umwandlung (Verkauf) in Aktionen auf dem Markt verwenden läßt, also

Immobilien, Sachwerte, Aktien usw

 

Kaufkraft (v. H. Creutz Nachfragepotential genannt ) =  Bargeld, Geld, Kredite

 

Dazu ein Gedankenspiel

 

Ein Mensch, hier A genannt, leiht einem Bekannten B 1000 Euro. Dieser will sich dafür einen PC kaufen..

Nach kurzer Zeit ergibt sich für A die Möglichkeit, von einem Dritten C  für 1000 €  günstig ein gebrauchtes Motorrad erwerben zu können. Da er im Moment gerade nicht „flüssig“ ist und  von B im Moment nicht  die Rückzahlung der 1000 € verlangen will, bittet er C, als Bezahlung den Schuldschein von B anzunehmen, worauf dieser auch eingehen will..

Der Kauf von B verzögert sich noch etwas, da meldet sich ein Bekannter D bei ihm, der für kurze Zeit dringend 1000 € braucht. Also gibt ihm B diese Summe.

Jetzt ist die Kaufkraft nur durch Verleihen auf 3000 € angewachsen. Reicher ist aber niemand geworden, 2 Menschen haben dagegen Schulden, die sie vorher nicht hatten.

 

Kurz dargestellt:

 

A kann  mit Schuldschein von B bezahlen                     

B kann  mit Schuldschein von D bezahlen                     

            D kann mit Bargeld bezahlen

 

A hat 1000E weniger (die er B gegeben hat) und einen Schuldschein von B,        S  = 0

B hat Schulden bei A, Guthaben bei D                                                              S  = 0

D hat 1000 € (erhalten von B) und Schulden bei B                                            S  = 0

 

Folgerung

 

Diese Geschichte ist natürlich etwas konstruiert, könnte aber so ablaufen. Voraussetzung ist lediglich ein gewisses Vertrauen zwischen den Beteiligten, aber das ist ja für unsere normales Geldsystem auch erforderlich.

Aus den ursprünglich vorhandenen 1000 € bei A ist jetzt also allein durch die Leihvorgänge eine Kaufkraft von 3000 € entstanden.

Im Prinzip lässt sich die Kaufkraft also durch Verleihen aufs Unendliche steigern.

 

Und die Banken?

 

Genau das oben Geschilderte geschieht m. E. , wenn der Vorgang unter Einschaltung einer Bank abläuft, es wird nur für den Laien durch alle möglichen Buchungsvorgänge unübersichtlich. Allein durch Verleihen, hier Kreditvergabe wird also die Kaufkraft erhöht. Dabei vergrößert sich aber nicht die Geldmenge, sondern das „Mehr“ entsteht in Form von Schulden.

 

Geld oder nicht Geld?

 

Die so entstehende Kaufkraft  verschwindet wieder, wenn die Schulden getilgt, bezw. die Kredite zurückgezahlt werden. Etwas, das einfach so spurlos verschwinden kann, kann eigentlich kein Geld sein.  Andererseits können mit dieser Kaufkraft  reale Käufe getätigt werden.

Eine solche Doppelnatur gibt es auch in anderem Zusammenhang:

Jemand besitzt eine Aktie mit Nennwert 100 eines jungen Unternehmens und durch irgendwelche Gerüchte über einen bevorstehenden Durchbruch steigt der Wert der Aktie auf 1000.

Jeder wird sagen, das ist „heiße Luft“ oder eine Blase, die sich morgen schon auflösen kann, was in gewisser Weise auch stimmt..

Wenn der Besitzer der Aktie diese aber jetzt verkauft, entsteht in der Wirtschaft aus dieser „heißen Luft“ eine reale Kaufkraft von 1000 €.

Eine Doppelnatur haben im gewissen Sinne auch Sichtguthaben (Girokonten). Einerseits kann der Kontoinhaber damit auf dem Markt tätig werden, wie mit Bargeld.

Andererseits könnte man ein Sichtguthaben, das durch Einzahlung des Kontoinhabers entsteht,  auch als Kredit an die Bank ansehen, der Schulden, in diesem Fall der Bank, und damit Kaufkraft schafft.

 

Ursache der Streitereien?

 

Liegt vielleicht in der Doppelnatur des geliehenen Geldes oder der Kredite ein Grund für die langen Auseinandersetzungen? Die Einen sehen die eine, die anderen die andere Natur der Kredite.

 

Wo kommt das viele Geld her?

 

Manche sehen die ungeheuren Geldmengen, die täglich um den Globus wirbeln (2 Billionen €) als Beweis für die Geldschöpfung  der GB an.

Kredite könnten dabei sein, wenn man z. B. an die Tätigkeit von Hedgefonds mit ihrer starken Hebelwirkung denkt, wie viel das ist, ist schwer abzuschätzen

Daneben ist aber folgendes zu berücksichtigen:

Allein in Deutschland wird durch die Zinsen in Waren täglich eine Mrd € von unten nach oben verteilt.

Wir haben in der westlichen Welt praktisch ein halbes Jahrhundert Wirtschaftswachstum. Die schon früh vorhandenen Vermögen sind also schon  im steileren Teil ihrer Zunahme durch Zinseszinsen.

In Deutschland und vielen anderen Ländern fanden über Jahre Entlastungen der hohen Vermögen statt, d. h. die hohen Einkommen bekommen einen immer größeren Stück vom Kuchen, d. h. von der BIP – Zunahme

 

 

Geldschöpfung aus dem Nichts?

Unter der Voraussetzung, dass der Kreditnehmer A  seinen Kredit der Bank B dazu verwendet, eine Schuld zu bezahlen und zwar beim Gläubiger C, der diesen Betrag wieder bei B einzahlt, soll eine Kreditschöpfung durch GB ohne vorherige Einlage  möglich sein.

Das trifft auf den ersten Blick zu. In Wirklichkeit wird die zugehörige Einlage lediglich durch den „Gläubiger“ nachgeliefert.

 

Die bösen Banken?

 

Weit verbreitet ist die Meinung, die exzessive Kreditvergabe der Banken sei eines der Hauptübel in der Wirtschaft. Aber einen Kredit kann man schließlich nur jemand geben, der ihn auch will.

Ist nicht vielleicht eher das Bestreben der Wirtschaft, schneller zu wachsen, als es bei Investitionen aus dem eigenen Gewinn möglich wäre, der Kern des Problems. Als Folge dieses Strebens ist eine Eigenkapitalquote von 10 – 20% üblich, d. h. Handel und Industrie sind mit 80 – 90% des Betriebskapitals verschuldet.

Daß es durchaus auch anders geht, zeigt z. B. die Firma Haribo mit einer Eigenkapitalquote von 100%

 

Noch ein Gesichtspunkt

 

Autohändler z. B. geben ihren Kunden in zunehmendem Maße Kredite zum Autokauf.

Schöpfen sie dann auch Geld?

Auch dieses Beispiel zeigt m. E.:

Jeder Leihvorgang führt zu weiterer Verschuldung, eine Erhöhung der Kaufkraft, aber nicht zu einer Erhöhung der Geldmenge

 

Fazit

 

Bei jeder Kreditvergabe der Banken wird die Kaufkraft um den Betrag des Kredits erhöht. Reicher wird dadurch niemand, es entstehen nur höhere Schulden.

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Die Banken können kein Geld, sondern Kredite schöpfen. Kredite sind kein Geld, sondern eine Möglichkeit, sich zu verschulden, d. h. eine Kaufkraft und damit eine Leistung zu erwerben, ohne selbst eine Leistung erbracht zu haben; der Kreditgeber lebt von der Hoffnung, dass der Kreditnehmer  dies in der Zukunft tut, lässt sich dieses Abenteuer allerdings meist mit Zinsen bezahlen.

Das gilt für jeden Leihvorgang von Mensch zu Mensch, die Banken haben das Ganze institutionalisiert und betreiben das Geschäft im großen Stil.